Müssen Bibliotheken gegenüber Google resignieren?

In LaTribune wurde am 18.8.2009 über eine Änderung der Strategie der Bibliothèque nationale de France (BNF) gegenüber Google bzw. GBS  berichtet. Die BNF war lange Zeit eine der heftigsten Kritiker gegenüber den Google-Digitalisierungs-Aktivitäten. Offenbar hat man sich aber jetzt mit Google auf die Digitalisierung der BNF-Bestände geeinigt. Geltend gemacht werden Kostengründe: Allein die Digitalisierung der Werke aus der IIIe République française würde zwischen  50 und 80 Millionen Euro kosten. Das gesamte Digitalisierungsbudget der BNF betrage aber nur ca. 5 Mio Euro.

[Nachtrag am 24.8.2009: Vermutlich habe ich zu gutgläubgig der Meldung in LaTribune vertraut. In nature.com heißt es:  "French library denies ‘Google seduction’ claims - August 19, 2009" ; vgl. dort allerdings weitere Links, z.B. in TimesOnline. Auch das Handelsblatt - "Paris öffnet Google Tor und Tür" - ist von dem Dementi der BnF  nicht überzeugt. <br Trotzdem - das hier Folgende muss also relativiert werden. Abwarten, wie es sich entwickelt.]

Meines Wissens ist dies die erste Nationalbibliothek in der EU, die die Dienste von GBS in Anspruch nimmt. Man wüsste natürlich mehr über die Vertragsbedingungen, z.B. ob die gesamten Bestände zur Digitalisierung freigegeben werden, wie mit urheberrechtsgeschützten, den verwaisten und vergriffenen Werken umgegangen wird, welche Rechte die BNF behält, wer für die Metadaten zuständig ist…

Sind damit die umfassenden Pläne einer europäischen digitalen Bibliothek vom Tisch? Zunächst einmal wäre es besser, nicht von Kapitulation zu sprechen, sondern von einer legitimen Verständigung einer Nationalbibliothek mit Google, die im Interesse der Nutzer, aber auch zur Wahrung des Kulturauftrags lieber die Digitalisierung der Bestände durch Dritte akzeptiert als angesichts mangelnder Mittel auf die Digitalisierung zu verzichten bzw. dies in die weite Zukunft zu verlagern.

Das kann aber nur eine Zwischenlösung. Der öffentliche Auftrag bleibt bestehen. Bibliotheken können diesen Kulturauftrag offenbar nicht von sich aus stemmen. Ob von Seiten der Politik nicht die Mittel dafür drastisch aufgestockt werden müssten? Das müsste aber einhergehen zum einen mit einer realistischen Kostenabschätzung und zum andern und vor allem mit einem  innovativen Organisationsmodell zur koordinierten verteilten Digitalisierung, so dass der Aufwand auf viele Schultern verteilt werden kann. Dringend erforderlich eine rechtliche Absicherung über eine entsprechende Schrankenregelung im Urheberrecht, vor allem bezüglich der verwaisten Werke.  “Private” Lösungen/Vereinbarungen  durch Verlage, Verwertungsgesellschaften etc. reichen hier nicht aus.

Die Öffentlichkeit, die jetzt Lebenden, aber auch zukünftige Generationen haben einen Anspruch daraus, dass die Werke der Vergangenheit in dem Medium der Gegenwart bewahrt und zugänglich gemacht werden.  Das ist eine zentrale informationsethische Forderung im Sinne der Nachhaltigkeit von Wissen und Information.