Zweitverwertungsrecht – Zeichen für Wissenschaftsfreiheit?

Das Zweitverwertungsrecht wurde am 20.9.2013 vom Bundesrat durchgewinkt, so dass nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten dieses Recht in einer Modifizierung und Erweiterung von § 38 UrhG jetzt Gesetz werden kann.

Kaum ein Gesetz ist bis kurz vor Schluss so intensiv kritisiert worden wie dieses, und zwar von allen Seiten. Ob man, wie es schon die damalige Bundesjustizministerium Zypries im Rahmen des Zweiten Korbs getan hatte, die Unzufriedenheit aller als Zeichen dafür deuten kann, dass es daher das bestmögliche Gesetz geworden ist, kann aber doch bezweifelt werden.

Ich habe meine Kritik und Ablehnung (nicht des Zweitverwertungsrechts an sich, sondern der vielen unzeitgemäßen Einschränkungen dieses Rechts in der jetzt beschlossenen Fassung) sowohl auf IUWIS als auch durch einen Beitrag für Spektrum.de deutlich gemacht, wie natürlich schon durch die vielen Beiträge als Sprecher des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft (zuletzt über eine Pressemitteilung vom 5.9.2013).

Hier nur eine knappe Entgegnung zu einem Beitrag von Eric W. Steinhauer zu diesem Thema in Legal Tribune Online.

Steinhauer stellt darin viele richtige Fragen, z.B. “Wenn das Ziel darin liegt, die öffentlich finanzierte Forschung der steuerzahlenden Öffentlichkeit leicht zugänglich zu machen, warum wurde die Zweitverwertung dann nicht verpflichtend vorgeschrieben?”

Die Antwort scheint in der rhetorisch anmutenden Formulierung offensichtlich zu sein: Natürlich braucht die öffentlich finanzierte Forschung neben dem individuellen Recht der AutorInnen auch das “Institutional mandate”, also das Recht (besser: die Pflicht) der die AutorInnen tragenden Institutionen, die Werke ihrer ForscherInnen zweitveröffentlichend für alle (und unter einer freien Lizenz) zugänglich zu machen.

Aber diese Antwort gibt Steinhauer nicht. Er bleibt, wie schon immer in seinen Arbeiten, bei einem doch recht radikalen subjektiven Verständnis von Wissenschaftsfreiheit – obgleich diese – das weiss natürlich auch Steinhauer – gewiss nicht, grundgesetzlich geschützt, abgeschafft werden kann/darf, aber jederzeit vom Gesetzgeber zeitgemäß ausgelegt und in positiven Gesetzen angepasst werden kann/muss/sollte. Das ist durchaus nicht nur verfG-konform, sondern ist zwingend erforderlich.

Zu diesem Thema hat sich Steinhauer ja schon manchen kritischen Kommentar von Graf anhören müssen; vgl. auch meinen Kommentar hier in NETETHICS zu seinem früheren Werk “Das Recht auf Sichtbarkeit“, der mit der wirklich nur rhetorisch gemeinten Frage endete : “Sollte es dann nicht nur ein Recht des Autors auf Sichtbarkeit seiner Werke geben, sondern nicht auch ein Recht (der Communities bzw. der Nutzer) auf Sichtbarwerden?” – das ist natürlich die Frage am Ende meines Kommentars, kein Zitat aus Steinhauers Arbeit.

Aber solche Einwände hindern Herrn Steinhauer nicht, weiterhin bei seiner Grundhaltung zu bleiben, das Recht nicht mit einer Pflicht zu verbinden (ist ja wohl auch eher weiter Mainstream der juristischen dogmatischen Diskussion).

Ist es derzeit in einem hoch-emotionalisierten öffentlichen Klima zur Frage von Wissenschaftsfreiheit überhaupt noch möglich, einen offenen Diskurs zur Reichweite und den Grenzen von Wissenschaftsfreiheit zu führen, der nicht nur über die systemstabilisierenden dogmatisch juristischen Argumente läuft?

Aber dem Grundtenor des Beitrags von Steinhauer ist zuzustimmen – so wie das Zweitverwertungsrecht jetzt Gesetz wird, ist es irrelevant, unzeitgemäß, unbrauchbar und überflüssig – leider aber doch in der Praxis Wissenschaft eher behindernd als befördernd.

Dass der Bundesrat, um gegen das Gesetz nicht Einspruch erheben zu müssen, den “Trick” gewählt hat, das Gesetz “verfassungskonform” auszulegen, ist kaum beruhigend. Wie kann ein Gesetz mit Akzeptanz rechnen, wenn es erst später der Gerichte bedarf, um klarzustellen, ob das neue Recht auch für die Hochschulforschung gelten soll? In der den Willen des Gesetzgebers deutlich machenden Begründung des Gesetzes wird dies ausdrücklich verneint – es soll nur für Drittmittelforschung und außeruniversitäre öffentliche finanzierte Institutionelle Forschung gelten.

Dass dieses Gesetz ein Signal für Open Access sein soll, wie es Steinhauer annimmt, ist nicht so einfach zu erkennen – dafür fällt es in vielen Einzelheiten (zu lange Embargofrist, Ausklammerung von Sammelbänden wie Proceedings von Konferenzen, Verbot der Nutzung der Verlagsversion und eben Ausklammerung der normalen Hochschulforschung) und in der fortdauernden Weigerung der Politik, dieses Recht auch mit einer Verpflichtung der AutorInnen zu verbinden, hinter den europäischen und internationalen Stand der Diskussion zurück.

Steinhauer setzt offenbar lieber und pragmatisch auf die Rationalität des Marktes, durch welche sich schon attraktive OA-Geschäftsmodelle finden lassen sollten. Attraktiv heißt aber derzeit in erster Linie, dass die Öffentlichkeit über verschiedene Modelle die Open-Access-Leistungen der Verlage, nebst deren Gewinnerwartungen, finanziert – vermutlich auf Dauer zu Lasten der Forschungs- und Bibliotheksbudgets. Kann Steinhauer das für richtig halten?

Wenn der im Ergebnis als enttäuschend zu bezeichnenden Regelung für das Zweitverwertungsrecht dann doch noch etwas Gutes abzugewinnen ist, dann eine Konsequenz daraus:

Im Anschluss an die Debatte über das Zweitverwertungsrecht wird nun immer dringlicher gefordert – und zwar quer durch alle Parteien –, dass es einen wirklichen Fortschritt in Richtung eines wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts nur dann geben wird, wenn die Vielzahl der Wissenschaft und Bildung betreffenden unzureichenden und behindernden Schrankenregelungen durch eine umfassende, transparente und verständliche Wissenschaftsklausel ersetzt wird.

Da hofft die Wissenschaft auch von Juristen wie Steinhauer, der den Interessen von Bildung und Wissenschaft ja sehr nahe steht, auf konstruktive und nicht nur auf ein konservatives Verständnis von Wissenschaftsfreiheit setzende (abwehrende) Vorschläge. Dabei dürfen zur Abwechslung auch mal durchaus informationsethische Argumente eine Rolle spielen.

Comments (1)

 

  1. Ich bin schon verschiedentlich darauf angesprochen worden, ob ich eine Einschränkung von Wissenschaftsfreiheitim Rahmen von Gesetzen wirklich für verfassungskonform halte.
    In der Tat tue ich das, und das kann auch intensiv belegt werden. Ich zitiere hier aus dem BGH-Urteil vom 18.9.2007 mit Bezug auf
    “Die Regelung der “positiven Publikationsfreiheit” des Hochschullehrers in § 42 Nr. 1 ArbNErfG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 18. Januar 2002 (BGBl. 2002 I S. 414) verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 3 GG.”

    Dort heißt es u.a.:
    “Die Freiheit von Forschung und Lehre gebietet es allerdings nicht, dass der Hochschullehrer auch Inhaber der Verwertungsrechte an seinen Forschungsergebnissen zu sein oder zu bleiben hat (so zutreffend die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/ 5975, S. 5; vgl. Leuze in Reimer/ Schade/ Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 7. Aufl. 2000, Rdn. 16 zu § 42). Die wirtschaftliche Zuordnung von geistigen Leistungen des Hochschullehrers fällt in den Normbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, nicht des Art. 5 Abs. 3 GG (vgl. nur BVerfGE 36, 280, 291 = GRUR 1974, 142).”

    und weiter unten:

    Aber auch ohne Vorbehalt gewährte Freiheitsrechte müssen im Rahmen gemeinschaftsgebundener Verantwortung gesehen werden (BVerfGE 47, 327, 368 ff. = NJW 1978, 1621). Art. 5 Abs. 3 GG normiert nicht nur ein Individualgrundrecht, die Bestimmung ist vielmehr darüber hinaus eine das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm. Danach hat der Staat im Bereich des mit öffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetriebs durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist (BVerfGE 35, 79, 112, 115 = NJW 1973, 1176; BVerfGE 54, 363, 389 ff. = NJW 1981, 163; BVerfGE 93, 85, 95 = NVwZ 1996, 709; BVerfGE 111, 333, 353 = NVwZ 2005, 315). Die verfassungsrechtliche Garantie der Institution der Hochschule und ihrer Funktionsfähigkeit erlaubt jedoch die in der Regelung in § 42 ArbNErfG n. F. liegende Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Rechte des Hochschullehrers,…”